
SKZ-INSIGHT
Neulich im Lehrgang…
Spritzgießen ist das wichtigste und meist verwendete Verfahren zur Herstellung von Kunststoffprodukten – bei der Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich wird man als Trainer aber oft vor große Herausforderungen gestellt
Als Trainer im Bereich der Aus- und Weiterbildung Spritzgießen ist man immer darauf bedacht das richtige Vokabular an der richtigen Stelle zu nutzen. Bislang war das am SKZ für die unterschiedlichen Angussarten auch kein Problem, da man sich ausschließlich mit der Verarbeitung von Thermoplasten herumgeschlagen hat. Doch seit einigen Monaten stehen auch Duroplaste und Elastomere im Lehrplan.
Und da ist es passiert: Ich war gerade mitten in voller Fahrt bei der Werkzeugtechnik der Thermoplaste angelangt und wollte die beiden üblichen Angussarten vorstellen: „Bei den Thermoplasten kommen in der Regel die beiden Angussvarianten Kaltkanal und Heißkanal zum Einsatz“, und schon nach wenigen Sekunden blickte ich in verwirrte Gesichter. Es dauerte nicht lange, bis ich meinen Missgriff beim Wording bemerkte. Beim Duroplast- und Elastomerspritzgießen ist im Vergleich zum Thermoplastspritzgießen die thermische Welt auf den Kopf gestellt. Die Plastifizierung ist „kalt“ und das Werkzeug ist „heiß“, so dass der Begriff Kaltkanal eine komplett andere Bedeutung erfährt.

„Als Trainer im Bereich der Ausund Weiterbildung Spritzgießen ist man immer darauf bedacht das richtige Vokabular an der richtigen Stelle zu nutzen.“
Bernhard Hennrich, Gruppenleiter Forschung Spritzgießen, SKZ
Damit Sie immer den Durchblick im Angussdschungel behalten räumen wir hier mal zusammen auf. Beim Spritzgießen von Thermoplasten inklusive thermoplastischer Elastomere gibt es drei unterschiedliche Angusssysteme. Dies sind der erstarrende Anguss, der Heißkanal und der gute alte Isolierkanal.
Der erstarrende Anguss, der auch umgangssprachlich als Kaltkanal bezeichnet wird, fällt idealerweise bei der Entformung des Bauteils mit aus dem Werkzeug. Je nach Variante, kann aber auch eine Trennung vom Teil in einem separaten Arbeitsschritt nötig sein. Er kühlt zusammen mit dem Formteil im Werkzeug ab.
Der Heißkanal ist die beheizte Fortsetzung der Maschinendüse im Werkzeug bis zur Kavität. Er besteht je nach Größe und Fachzahl aus einem bzw. mehreren Verteilerblöcken und Düsen und ist vom restlichen Werkzeug über einen Luftspalt thermisch entkoppelt. Der Thermoplast liegt während der Produktion im Heißkanal immer im schmelzeflüssigen Zustand vor.
Der Isolierkanal macht sich die geringe Wärmeleitfähigkeit des Kunststoffes zu nutze. Diese liegt nämlich je nach Polymertype bei nur 0,14 W/m*K. Der Kanal ist so dimensioniert, dass während der laufenden Produktion die plastische Seele in der Kanalmitte nicht einfriert. Erst bei längerem Produktionsstillstand erstarrt der Kanal komplett und muss über eine zweite Trennebene im Werkzeug entformt werden.
Bei der Verarbeitung von Duroplasten und Elastomeren hingegen gibt es nur zwei Angussvarianten. Den vernetzenden Anguss und den Kaltkanal. Der vernetzende Anguss fällt, wie sein Pendant beim Thermoplastspritzgießen dem erstarrenden Anguss, beim Entformen mit aus dem Werkzeug. Auch hier kann eine Abtrennung am Formteil nötig sein. Er vernetzt zusammen mit dem Formteil im beheizten Werkzeug.
Der Kaltkanal und somit der Stein des Anstoßes, ist im Wesentlichen die gekühlte Fortsetzung der Maschinendüse bis zur Kavität. Da das Werkzeug für die Vernetzung des Materials beheizt ist, muss hier eine thermische Trennung zum Werkzeug erfolgen. Der Duroplast bzw. das Elastomer liegt während der Produktion im Kaltkanal immer im fließfähigen Zustand vor.